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Der Kommentar
 

Stasi Studie

"Das Gift des Kraken Stasi wirkt noch heute in der Gesellschaft in Ostdeutschland weiter, wird weitergegeben von Generation zu Generation ..."
"Wir haben herausgefunden, dass das regional unterschiedliche Ausmaß der Durchdringung des Privatlebens in der DDR signifikante Folgen für jene Sozialkapital-Muster haben, die heute in den neuen Ländern beobachtet werden."
(Aus einer Forschungsarbeit von Marcel Tyrell und Marcus Jacob, Wirtschaftswissenschaftler an der Zeppelin-Privatuniversität Friedrichshafen; gefunden in "Thüringer Allgemeine" vom 17.Juli 2010 S. 1;7)

Liebe Leserinnen und Leser,

so, nun wissen wir es ganz genau, wer und was schuld daran ist, dass der Osten Deutschlands eine schlechtere Wirtschaftskraft, eine geringere Wahlbeteiligung und eine weniger ausgeprägte Bereitschaft zu einer Organspende aufweist. Natürlich, wie könnte es anders sein: die Stasi, genauer die Staatssicherheit der DDR ist gemeint. Und zwar nicht nur in Gestalt von Personen, beispielsweise IM - informellen Mitarbeitern -, sondern auch in Gestalt einer ominösen giftigen Substanz, die von Generation zu Generation weitergereicht wird.

Es ist für mich erstaunlich und verständlich zugleich, wie unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen Wissenschaft verbogen und in den Dienst einer Ideologie gestellt wird, die weiterhin Hass und Zwietracht sät. Nur ein paar Beispiele aus den oben genannten Zeitungsnotizen:

Prof. Dr. Marcel Tyrell, Chef des Instituts für Unternehmer- und Finanzwissenschaften an der Zeppelin-Privatuniversität Friedrichshafen, spricht in einem Interview mit der "Thüringer Allgemeinen" von "Robustheit der Zusammenhänge". Ich frage: Worin liegt die Aussagekraft einer solchen Bewertung? Maßgebend für eine klare Aussagekraft ist für jeden, der eine blasse Ahnung von Statistik hat, nicht irgendeine Robustheit, sondern die Signifikanz der verglichenen Daten. Und dass es damit ganz gewaltig hapert, zeigt die Bemerkung des Interviewers Martin Debes:

"Sie messen auch eine um 0,6 Prozent niedrigere Wahlbeteiligung in den IM-Gebieten. Das liegt doch innerhalb der Fehlertoleranz jeder noch so seriösen Umfrage." 

Aber Tyrell versteht es, auch dieses "Ergebnis" zurecht zu biegen:

"Das ist lediglich ein ergänzender Wert zu einem anderen Ergebnis, nämlich dass die Bereitschaft zur Mitgliedschaft in Organisationen auch um zehn Prozent und für Organspenden um fünfzig Prozent niedriger liegt."

Ich weiß aus eigenen statistischen Untersuchungen, dass der Unterschied zwischen zwei Werten um 10 Prozent liegen sollte, um eine sichere Signifikanz zu ermitteln.

Liebe Leserinnen und Leser, ich habe noch einige weitere Fragen zur angeblichen Wissenschaftlichkeit dieser Studie:

Wie wurde eigentlich die Grundgesamtheit der Untersuchung bestimmt, z. B. hinsichtlich der nicht durch Stasi-IM besetzten Regionen? Wir hatten es schon mit dem Humankapital. Aber was soll sich der Bürger unter Sozialkapital vorstellen?

Wieso wurden die hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit ausgeklammert? Hier hätte sich doch die Vermutung eines besonders starken Einflusses als Ausgangshypothese angeboten.
Und was ist mit dem Einfluss der Geheimdienste der alten BRD; haben die keine Wirkung mehr?

Es drängen sich mir noch weitere Fragen auf, aber ich will es damit bewenden lassen. Ich kann zu den mir bekannten Dingen dieser "Stasi-Studie" keinen besseren Kommentar geben als den von Rolf-Dieter Reiber, welchen ich am 19. Juli in der "Thüringer Allgemeinen" las:

"Das taugt vielleicht als Büttenrede. Schade, dass die klugen Köpfchen unter Leitung ihres Chefs Marcel Tyrell nicht noch herausgefunden haben, dass die Stasi auch an der Finanzkrise, den schlechten Umfragewerten der Regierung, der unsozialen Politik oder gar an dem unterschiedlichen Mindestlohn für die Pflegekräfte in Ost und West Schuld hat."

Liebe Leserinnen und Leser, es ist schon so: Manchmal weiß man nicht, ob in dem Behältnis, auf dem Wissenschaft drauf steht, auch wirklich Wissenschaft drin ist. Daher meine Empfehlung, immer genau nachzuschauen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen angenehmen, aber auch nachdenklichen Sonntag.

Dr. Dr. Jan Bretschneider 

 

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